Skip to content

PREISVERLEIHUNG

CIVIS Medienpreis 2025

Man kann sich ja Sorgen machen – Migration, Integration, kulturelle Vielfalt sind keine Errungenschaften, die sich aktuell allgemeiner Wertschätzung erfreuen. Die aufgestapelten Krisen sorgen für Überforderung, verbreiten Unsicherheit und Missmut. Und viele, allzu viele sehen die CIVIS-Kümmerzonen der Einwanderungsgesellschaft als Herde zusätzlicher Probleme. Gegen das Fremde, Unvertraute, vermeintlich Bedrohliche Stimmung zu machen ist politische Masche von Populist:innen und Nationalist:innen. Zur Aufklärung, der CIVIS sich verschrieben hat, braucht es Unerschrockenheit und Mut. Die gute Nachricht: In einem Teil der europäischen Medien sind diese wertvollen Ressourcen sehr präsent.

Den Beleg lieferte der diesjährige Wettstreit um den CIVIS Medienpreis. In der 38. Auflage bewarben sich über 700 Produktionen aus allen Ländern der EU sowie der Schweiz um eine der begehrten Auszeichnungen. Wie im Vorjahr wurden sie im Rahmen der großen Digitalmesse re:publica in der Station am Berliner Gleisdreieck verliehen. Es war mehr als ein Gute-Laune-Event. Das war es aber auch – die Gewinner:innen freuten sich über die Auszeichnung, das applausfreudige Publikum freute sich lautstark mit, eine Freude, die auch Mona Ameziane teilte, deren ebenso kluge wie zugewandte, konzentrierte wie unterhaltsame, in der genau richtigen Mischung fröhliche und ernsthafte Moderation den Saal begeisterte.

„CIVIS feiert die Vielfalt unserer Gesellschaft. Es ermutigt und inspiriert die Menschen und trägt damit auch zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Weil es den Journalismus ehrt, der hinschaut, wo andere wegschauen, und Rückgrat zeigt, auch wenn es unbequem wird.“
Katrin Vernau
Intendantin WDR
Mona Ameziane | Moderatorin
Mona Ameziane | Moderatorin
David Vormweg | Laudator

Im Zentrum des Jubels stand eine mediale Leistungsschau mit Ansteckungseffekt. Denn die Preisträger:innen sind Vorbilder, dringlich zur Nachahmung oder besser als Inspiration empfohlen. Weil sie laut CIVIS Geschäftsführerin Ferdos Forudastan „sauber recherchieren, faktentreu informieren, klug einordnen, engagiert Stellung beziehen“. Sie seien Mutmacher, sagte Forudastan in ihrer Begrüßung, „in Zeiten wie diesen, wo Kräfte Zulauf haben, die sich nicht nur nicht um Humanität, Zivilität, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit scheren, sondern all das bekämpfen.“

„CIVIS bedeutet für mich Vielfalt, Neugier, aber auch Verantwortung für das Gemeinwesen.“
Stefan Raue
Intendant Deutschlandradio

Die re:publica hat sich diese Jahr das Motto „Generation XYZ“ gegeben. Mona Ameziane erläutert: „Das bedeutet, hier sollen verschiedenste Menschen, auch unterschiedlichsten Alters, zusammenkommen und diskutieren über die Frage: Wie wollen wir zusammenleben? Und vor allem: Wie schaffen wir es, unsere Gesellschaft offen und solidarisch zu halten, gerade in Zeiten, in denen unsere liberale Demokratie unter so massivem Druck steht? Für Antworten auf diese Fragen steht traditionell auch der CIVIS Medienpreis.“

„CIVIS schafft es immer wieder, relevante Geschichten ins Rampenlicht zu rücken, die zum Nachdenken anregen, weil CIVIS faktenbasiert und kritisch arbeitet.“
Natalie Pawlik
Staatsministerin, Integrations- und Antirassismusbeauftragte
Simon Verhoeven, Mona Ameziane | CIVIS CINEMA AWARD
Sofika Yogarasa | CIVIS VIDEO AWARD Social Media
Philipp Grüll, Erik Häußler | CIVIS VIDEO AWARD Information

Es geht um Themen wie Arbeitsmigration, Hetze, Flucht, Rassismus, Extremismus, Antisemitismus. „Es ist alles wahnsinnig hart“, sagt die Moderatorin. Die 29 nominierten Beiträge der Kandidat:innen-Shortlist seien aber „ein ganz fantastischer Anstoß, mitzudenken, mitzufühlen und etwas genauer hinzugucken“. Der erste Preis des Abends, gekürt vom Kino-Publikum, ist der CIVIS CINEMA AWARD. Er geht an den Regisseur Simon Verhoeven und die Produzentinnen Kirstin Winkler, Quirin Berg und Max Wiedemann für ihre Komödie Alter weißer Mann. Klar, die solle unterhalten, sagt Verhoeven. Die Unterhaltung – Kommunikation ganz unterschiedlicher Menschen – solle aber zugleich dem Schubladendenken entgegenwirken, wie es in der Zuschreibung ‚alter weißer Mann‘ zum Ausdruck komme.

Den Gewinner in der Kategorie Social Media hat, wie die meisten Preisträger eine Jury gekürt. Das Ergebnis verkündet der Schauspieler David Vormweg – bekannt unter anderem aus „John Cranko“, „Der Schwarm“ oder der Serie „Lust“, an diesem Abend als Laudator in der Rolle der ‚kleinen Fee‘, wie er sie selbst nennt – Support Act der Moderatorin. Die Siegesstele bekommt Sofika Yogarasa für Jugendliche mit Migrationsgeschichte unterstützen ihre Eltern – Selbstverständlichkeit oder Überforderung des Schweizer Rundfunks. Der Titel sagt, worum es geht. Also zum Beispiel, wie es aussieht, wenn in migrantischen Familien die Jungen den Älteren bei Sprachbarrieren helfen wollen. Was nicht immer klappt, manchmal komisch und manchmal anstrengend wird. „Ich habe gemerkt, dass das in der Mehrheitsgesellschaft nicht so bekannt ist“, sagt die Preisträgerin. Ihr Film, „facettenreich und voller Wärme“ (Jury-Begründung) ist ein überaus gelungener Beitrag, dem Manko abzuhelfen.

„Denen, die unsere Gesellschaft spalten wollen, setzt CIVIS entgegen, dass wir alle mehr davon haben, wenn wir Konflikte in gegenseitiger Wertschätzung lösen, wenn wir Unterschiede aushalten und gemeinsam nach besten Lösungen für Zusammenhalt in Vielfalt suchen.“
Pia Gerber
Geschäftsführerin Freudenberg Stiftung

Der Gewinner in der Kategorie VIDEO Information befasst sich mit dem womöglich quälendsten Problem unter den CIVIS-Themen, dem Elend der Flüchtlinge, die auf lebensgefährlichen Routen versuchen, nach Europa zu kommen. Die ARD Story: Ausgesetzt in der Wüste – Europas tödliche Flüchtlingspolitik von Philipp Grüll und Erik Häußler deckt nach dem Urteil der Jury „mithilfe einer konsequenten Recherche die skrupellosen Praktiken im Rahmen der europäischen Migrationspolitik auf und gibt ihren Opfern eine Stimme. Sie werden nicht als Nummern oder Fälle vorgeführt, sondern in ergreifenden Bildern und eindrucksvollen O-Tönen als Menschen porträtiert.“

Das, erzählen Grüll und Häußler nach Entgegennahme der Preisstelen, erforderte fast zwei Jahre Recherche. Sie mussten umfangreiches, „extrem krasses und belastendes Material sichten“. Insgesamt seien knapp 40 Journalist:innen medienübergreifend an der investigativen Arbeit in Ländern wie Libyen, Mauretanien oder Tunesien beteiligt gewesen. Die CIVIS-Auszeichnung, sagt Mona, sei hier folglich mehr noch als in anderen Fällen „ein Kollektivpreis“.

„CIVIS ist gerade heute besonders wichtig, weil der Medienpreis den relevanten Stimmen und relevanten Themen eine hohe Sichtbarkeit ermöglicht.“
Severine Schori-Vogt
Leiterin Entwicklung und Angebot a. i. SRG SSR
Frank Joung | CIVIS AUDIO AWARD Podcast
Boris Lojkine, Delphine Agut, Mona Ameziane | CIVIS VIDEO AWARD Fiktion
Mücahit Altun, Bilâl Bahadır | CIVIS VIDEO AWARD Fiktion

Besonderen Jubel löst der Sieger im Wettbewerb um den besten Podcast aus, wiederum Resultat einer Publikumsabstimmung über sechs von der Jury kuratierte Beiträge. In Halbe Katoffl erzählt Burak Yilmaz, Duisburger Pädagoge und Autor dem Podcast-Host Frank Joung von seiner Arbeit mit jungen Menschen aus Familien mit Migrationsgeschichte. „Ein exemplarisches Stück Einwanderungsgeschichte“, stellt die CIVIS-Auswahljury fest. Mehr als 180 Gäste – „halbe Kartoffln“ (Selbstbeschreibung ebenso wie Name des Podcasts in leicht abgewandelter Form) wie der Host, dessen Eltern aus Korea stammen – hat Joung bereits zu Gast gehabt. Aber nichts sei so aufregend gewesen wie das, was Burak Yilmaz über den von ihm initiierten Besuch einer Gruppe muslimischer Jugendlicher in Auschwitz zu berichten hatte, bei dem die jungen Männer und Frauen genau die Empathie mit den jüdischen Opfern gezeigt haben, die ihnen von vielen deutsch-deutschen Bürger:innen oft abgesprochen wird. Was kann man daraus lernen, will Mona wissen. Joung: „Dass jeder eine eigene Geschichte hat, die es wert ist, zu erzählen.“

„CIVIS schafft es immer wieder, durch kreative Erzählweisen zu überraschen und neue Perspektiven einzunehmen.“
Jessica Morley
Co-Leiterin Innovation und Angebot SRG SSR

Dann gibt es felicitations, Glückwünsche auf Französisch. Denn der Gewinner-Beitrag in der Kategorie VIDEO Fiktion kommt aus Frankreich: Souleymane’s Story, von Boris Lojkine und Delphine Agut, ist die Geschichte eines Asylbewerbers aus Guinea und seines Wegs durch die kafkaeske Behördenmaschinerie des Aufnahmelandes. Es ist „eine Geschichte vom Beharren und Nichtaufgeben trotz aller Widrigkeiten, mit großartigen Laiendarstellern und einem atemberaubenden Drehbuch“, lobt die Jury.

„CIVIS stärkt Medienschaffenden den Rücken und bewirkt damit, dass das Thema Integration und Zusammenhalt präsent bleibt.“
Peter Limbourg
Intendant Deutsche Welle

Mona hat eine Überraschung in petto: Es hat im Fiktion-Wettbewerb ein Kopf-an-Kopf-Rennen gegeben, zwei Bewerber liegen am Ende exakt gleichauf. Bilâl Bahadirs Darstellung der Folgen des Hanauer Terroranschlags vom Februar 2020 (Uncivilized Von 9/11 bis zum Ukrainekrieg. Episode 1: Hanau) wird ebenfalls mit dem CIVIS AWARD Fiktion ausgezeichnet. Autor und Regisseur Bahadir erläutert, was es mit dem Serientitel auf sich hat. Uncivilized geht zurück auf den damaligen Bundeskanzler Gerd Schröder, der die Terrorattacken vom 11. September 2001 als Angriff der unzivilisierten auf die zivilisierte Welt verstanden haben wollte – eine Einordnung, die mit Anschlägen wie dem rassistischen Blutbad von Hanau offensichtlich unvereinbar ist. Bahadir: „Wir sind uncivilized und auch stolz drauf!“ Es gehe darum, zu zeigen, wie der Terror von Hanau das Leben von Jugendlichen verändert habe, die gleichfalls Opfer hätten werden können.

„CIVIS schafft es immer wieder, die Aufmerksamkeit auf wichtige gesellschaftliche Themen zu lenken und den Diskurs über Integration und Vielfalt zu fördern.“
Roland Weißmann
Generaldirektor ORF
Mona Ameziane, Roxana Samadi | CIVIS YOUNG C. AWARD
Katharina Thoms | CIVIS AUDIO AWARD kurze Beiträge
Boris Lojkine, Delphine Agut, Mona Ameziane, Mücahit Altun, Angelo Alabiso, Bilâl Bahadır | CIVIS TOP AWARD

Dass es sich beim grassierenden gewalttätigen Rassismus beileibe nicht um ein neues Phänomen handelt, belegt der siegreiche Beitrag der Kategorie AUDIO lang: Philipp Schnees Feature Hamburgs Baseballschlägerjahre – Rechte Gewalt in den 1980er-Jahren schildert, was im vermeintlich friedlichen Hamburg schon ein Jahrzehnt früher los war, bevor sich der Begriff Baseballschlägerjahre für ostdeutsche Verhältnisse etablierte: Militante Neonazis verübten acht Morde, Brandanschläge, Überfälle, schwere Körperverletzungen. Warum ist das so wenig ins öffentliche Bewusstsein gedrungen? „Die meisten Leute haben nicht verstanden, dass das Rassismus ist“, sagt Autor Schnee. Deswegen sei ihm besonders daran gelegen gewesen, auch der Gegenbewegung, dem migrantischen Widerstand, Raum zu geben.

„CIVIS ist so wichtig, weil hier verschiedene Ansichten, wie man in einer demokratischen Gesellschaft gut zusammenleben kann, sichtbar gemacht werden.“
Friederike Behrends
Vorsitzende Geschäftsführung Deutsche Postcode Lotterie

Was die Jungen und Jüngeren zu sagen haben, hat bei CIVIS einen speziellen, zusätzlichen Platz, den YOUNG C. AWARD, ausgelobt für Bewerber:innen bis 38 Jahre. Siegerin ist Roxana Samadi mit ihren dokumentarischen Einblicken ins Leben der iranischen Community in der Diaspora: Freiheit im Herzen. Samadi ist Schauspielerin und die Stimme von Findus in der Welt von „Findus und Petterson“, Freiheit ist ihr erster Film als Regisseurin. „Zum Ausdruck kommt die Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat, ebenso wie die Hilflosigkeit derer, die das Geschehen in der ehemaligen Heimat oder der Heimat ihrer Eltern nur aus der Ferne verfolgen können“, heißt es in der Jurybegründung, vorgetragen von Laudator Vormweg, der bekennt, „dass mich dieser Film wirklich umgehauen hat“.

Auch die Preisträgerin Samadi ist aufgewühlt. So sehr, dass sie ihr Statement zur Auszeichnung, zu „meiner Heimat Deutschland und meiner Heimat Iran“, auf einen Tisch legen und ablesen muss. „Dass ich hier in Freiheit stehe, ist ein reiner Zufall. Ich hätte genauso 2022 im Iran auf der Straße sein und getötet werden können.“ Sie spricht über Gaza, die israelischen Geiseln, über Gewalt und Unterdrückung. „Ich wünsche mir, dass wir begreifen, dass wir eins sind. Dass das Leid der anderen auch unser Leid ist … Lasst es uns eilig haben, menschlich zu sein!“

„Den Preisträgern wünsche ich, dass sie trotz all des Hasses und der Spaltung der Gesellschaft derzeit immer weiter den Mut und die Kraft haben, so differenzierte Beiträge zu produzieren.“
Minu Barati
Produktionsallianz

Es sind bewegende Worte, und der Übergang zur nächsten Preisverleihung fällt der Moderatorin wie auch dem Publikum nicht leicht. Es geht jetzt um die Kategorie AUDIO kurz, also um die journalistische Aufgabe, in wenigen Minuten viel zu sagen. Das hat nach Überzeugung der Jury am besten die Deutschlandfunk-Korrespondentin Katharina Thoms geschafft, mit einem Beitrag für die Informationen am Morgen – Syrische Kurden in Deutschland zwischen Hoffen und Bangen. Das Stück schildert Reaktionen in der syrischen Flüchtlingscommunity in Deutschland auf den Sturz des Diktators Assad. Dabei erliege Thoms „nicht der Versuchung, vermeintlich einfache Lösungen zu präsentieren“. Vielmehr zeichne sie „ein authentisches und differenziertes Bild vom Leben zweier Exilant:innen“, stellt die Jury fest.

„CIVIS ist ein klares Bekenntnis für Vielfalt in der Einwanderungsgesellschaft und aus der Medienlandschaft gar nicht mehr wegzudenken.“
Christiane von Websky
Leiterin Bereich Teilhabe und Zusammenhalt der Stiftung Mercator
„In einer Welt, die immer nationaler und populistischer wird, ist so ein Preis unabdingbar.“
Harald Christ
Vorstand Harald Christ Stiftung Demokratie und Vielfalt

Bleibt als traditioneller Schluss- und Höhepunkt der Gala der Preis der Preise, der CIVIS TOP AWARD für den Ausgezeichnetsten unter den acht zuvor Ausgezeichneten. Auch in diesem Wettbewerb gibt es einen Doppelsieg: Souleymane‘s Story und Uncivilized teilen sich das Championat. Und teilen mit all den anderen Preiskandidat:innen dieses Jahrgangs die von Mona in ihrem Schlusswort formulierte Anerkennung für „Geschichten, die den massiven Attacken auf unsere Gesellschaft und unsere liberale Demokratie etwas entgegensetzen und uns helfen, etwas genauer hinzuschauen“.